Ein Pladoyer für mit-verantwortungsbewusste LarpteilnehmerWas das "Ziel eines Liverollenspieles" angeht, ist das meiste nennenswerte bereits gesagt worden,
doch möchte ich noch ein wenig auf den Punkt "die Aufgabe des Einzelnen" eingehen, und eine
Lanze für
verantwortungsbewusste Larpteilnehmer brechen.
Damit meine ich - ähnlich wie Steve (seine Punkt 2 und 4) - daß ein (gut dosiertes!) Mindestmaß an
OT-Reaktion auch bei den SCs nicht nur nicht schädlich ist, sondern ein wichtiger Spielbestandteil.
Das fängt bei den offensichtlichen Dingen an:
- Ich WILL, dass jeder SC im Kampf so kaempft, wie es im Spiel Sinn macht, aber nicht wie in der
Realität (Kopftreffer, Gegner erwürgen, ...)
- Ich WILL, dass jedem SC in jedem Moment klar ist, dass die Leiche vor ihm ein NSC ist, den er
nicht die Klippe hinunterstossen kann.
Es gibt aber auch subtilere Beispiele, von denen ich einige nennen möchte:
- Das Beispiel der Informations-Weiterverteilung hat Steve bereits genannt: Es mag IT-Gründe geben,
den gesamten Plot für euch alleine behalten zu wollen. OT kann das nur zu Frustration der mit-SCs
führen, so daß man hier genau abwägen muß. Wenn ihr einen Grund finden wollt, warum ihr die
anderen ins Vertrauen ziehen wollt, so wird sich ein solcher finden lassen!
- Unlogisch kämpfende NSCs. Damit meine ich, daß ich von SC-Seite häufig so etwas höre wie "Ich
finde das total unlogisch, daß die sich nicht ergeben haben oder wenigstens geflohen sind". Ihr
habt da schon recht. Aber habt ihr euch mal überlegt, wie viel Zeit bei einer sinnlosen
Räuberbefragung draufgehen kann? Bei einer Beratung, ob man den Fliehenden nachsetzen soll?
Beim moralischen Streitgespräch, was man mit den zwei Söldnerschergen tun soll, die sich ergeben
haben? Wollt ihr diese Szene dreimal pro Larp ausspielen? Ich nicht! Deswegen: Ich finde es in der
Regel keine schlechte Lösung, wenn Söldner bei ihrem Angriff zu Tode kommen, und nehme es als
Aventurischer Held als göttergegeben hin.
- Wenn die SL den SCs dreimal sagt, dass es Zeit wäre, daß sie aufbrechen, ist es Aufgabe der SCs,
sich zu überlegen, wie sie das im Spiel für sich logisch begründen, anstatt IT dagegen zu
argumentieren. Im Idealfall hat es die SL nicht nötig, den SCs solche Vorgaben zu machen, aber die
Realität zeigt leider, daß solche Fälle vorkommen - sei es, weil manche Locations auf bestimmte
Uhrzeiten gebucht sind, oder weil der Zeitplan des gesamten Tages ins Wanken kommt (Beispiel:
Al'Berachod, Aufbruch zum Schleier-Ritual).
- Auch das Gegenteil kommt vor: Manchmal wollen die SCs sofort aufbrechen. Die SL hat vor dem
Aufbruch aber noch eine wichtige Szene geplant - oder am Zielort der SCs werden noch Kulissen
aufgebaut, die NSCs sind noch nicht in Position (z.B. weil sie sich verlaufen haben), ... Auch hier
gilt natürlich, daß eine perfekte Planung solche Probleme reduzieren kann, aber eben leider nicht
völlig vermeiden. Wenn in solchen Fällen die SL versucht, die SCs IT zu bremsen, müssen diese
sich darauf einlassen (Beispiel: Travias Herd und Sumus Zorn, Aufbruch zur Finalschlacht).
- Manchmal läuft eine Szene nicht wie geplant. Wenn die SL versucht, in ihrer Charakterrolle IT
Hinweise oder Anweisungen zu geben, um das Problem zu beheben, ist sie auf die Mithilfe der
SCs angewiesen. Auch hier gilt dann: IT-Gemeckere, daß die Entscheidung unlogisch sei, ist mag
zwar sachlich korrekt sein, ist aber gewiss nicht zweckdienlich. Das soll natürlich keine Ausrede
für die SL sein, es sich von vornherein leicht zu machen, und solche indirekte Einflußnahme auf
die SCs von vorherein einzuplanen! Als Notbehelf in verfahrenen Situationen solches Vorgehen
aber legitim und angebracht. Als Beispiel hierfür möchte ich die Vorbereitung der
Basiliskenblut-Szene auf Al'Berachod anführen.
- Letztlich gilt dasselbe auch für die anderswo
(
http://www.larpmeystergilde.org/forum/index.php?topic=852.0) diskutierte Frage nach dem Umgang
mit gefallenen NSCs. Auch hier ist ein Funken von OT-Gedanken auf SC-Seite angebracht, so daß
sie den Kampfplatz zügig verlassen, insbesondere wenn das Wetter schlecht ist, die Wiese feucht, ....
Insofern möchte ich den im betreffenden Thread z.T. genannten Vorschlägen widersprechen. Die
volle Verantwortung auf die SL abzuwälzen wird zu keinem befriedigenden Ergebnis führen und ist
der falsche Weg - intelligente, muendige und verantwortungsbewusste SCs und NSCs sind gefragt!
Ich denke, daß die psychologische Auswirkungen einer solchen OT-beeinflussten SC-Reaktion (das
"ins OT gerissen werden") überschätzt wird. Die oben genannten Punkte sollten eine automatische
Reaktion darstellen, über die man nicht mehr nachzudenken hat. Und wenn man nicht darüber
nachdenken muß, wird die IT-Realität dadurch auch nicht angetastet.
Fazit: Ein Larp ist eine komplexe Veranstaltung. Um ein Maximum an Spielspass für alle zu erreichen,
sind intelligente, mündige und verantwortungsbewusste SCs und NSCs ein integraler Bestandteil der
Veranstaltung!