# OT: Einfach nur ein Ambientetext, den ich aus Lust an der Freude gerade mal geschrieben habe.
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Phux blickte über die Schriften, die auf dem viel zu kleinen Tisch ausgebreitet lagen, der in dem Zimmer der Taverne stand. Er konnte es immer noch nicht so recht glauben, dass er nun hier im Bornland war. In Königsberg. Den ganzen Winter, denn die Reise in den warmen Süden war im Winter nicht zu schaffen und er konnte auch hier nicht weg. Er sah die Pflicht, er wusste, dass es keine Wahl gab. Er war ein Diener der Götter. Ihr Wille, auf Dere umgesetzt durch sein Werk, war seine Bestimmung. Und nirgendwo - das wusste er - war dieses Werk dringender notwendig als hier.
Königsberg, eigentlich ein praiosgefälliger Name und doch war diese ortschaft seit Jahrzehnten, vielleicht sogar Jahrhunderten schon mit den Kulten des Namenlosen vertraut. Wie ein Geschwür hatte es sich hier festgesetzt und es war immer stärker geworden, hatte sich - vor allem wegen der Schwäche des Traviageweihten hier - immer mehr ausgebreitet und war gewuchtert. Bis der Frevel neben dem wahren Glauben auf Augenhöhe stand... so weit war es gekommen, dass junge Menschen nicht mehr den Geburtssegen empfingen und keine Initiation mehr erfahren hatten...
Es war soweit gekommen, dass sie sich in einem Lynchmob formiert hatten, um die, die ihren "Dorfgeweihten" - einen Diener des Namenlosen - erschlagen hatten, erschlagen wollten. Phux blickte aus dem Fenster. Schneeflocken tanzten und er überlegte sich, was er den Menschen heute sagen würde, wenn sie in die Taverne kämen. Denn jeden Abend hatte er sie hierher geladen, alle die kommen wollten. Und die, die nicht kamen, die besuchte er und lud sie persönlich ein - sie damit unter Druck setzend.
Denn so, wie er denen zurück zum wahren Glauben half, die diese Hilfe suchten... so wie er denen ein Helfer und Retter war mit all seiner Kraft und Menschenliebe... so unbarmherzig setzte er auch den Kampf gegen die Splitter des Namenlosenkultes nach, den seine GEfährten und er mit Marwan zwar enthauptet hatten, aber Phux war klar, dass das Gedankengut, das den Namenlosen hier zum wichtigsten Gott erhoben hatte, nicht auf einmal verschwunden war. Es war da. Und jemand würde versuchen, Marwan zu ersetzen. Es gab immer eine Nummer zwei.
Phux tastete bei diesem Gedanken automatisch nach dem Knüppel, den er immer an seiner Seite trug. Marwans Ende war kein schönes gewesen. Und wenn es jemand wagen sollte, in seine zehenlosen Fußstapfen treten zu wollen, dann würde auch er als letzte Empfindung auf Dere den Schmerz spüren. Phux bedauerte keine seiner Taten. Der Feind war ein götterlästerlicher Feind. Er verdiente nicht die Gnade, die ein Feind auf dem Schlachtfeld verdiente. Nicht einmal die, die ein Tier verdiente.
"Helfende Hand und strafende Hand..." kam es fast tonlos über seine Lippen, während er dann den Blick abwendet. Vor ihm lag das Kassenbuch des Kultes, der Tempelzehnt, den sie an den Namenlosen verrichtet hatten. Vor ihm auch die Kasse, in der das Geld gesammelt worden war. Der Güldene machte seinen Namen alle Ehre. Angst hatte selbst aus den kleinen Bauern hier klingende Münzen gepresst. Phux verspürte Abscheu, als er die Liste durchging und er fragte sich, wer aus tiefster Überzeugung bezahlt hatte und wer bezahlt hatte, weil Marwan auch die Macht hatte, jeden Abweichler zu bestrafen.
Ja. Heute war ein wichtiger Tag. Phux rechnete aus, was er an Geld hier vor sich liegen hatte. Es fehlte Geld, um allen ihren ganzen letzten Betrag auszahlen zu können. Und lange überlegte er, wie er dieses Problem korrekt beheben könnte. Ein Wassermaß später hatte er eine Liste, mit deren Hilfe er genau wusste, wieviel er einem jeden auszahlen würde. Und er feilte an den Worten, mit denen er die Menschen dazu animieren wollte, dass sie einen kleinen Teil davon sofort verwenden sollten, um Gutes zu tun. Irgendetwas. Denn Taten entschieden den Kampf zwischen Gut und Böse. Kleine Taten, tausende und abertausende von göttergefälligen Werken immer und überall auf Dere waren es, die das Sphärengefüge zusammenhielten. Die Worte entstanden in seinem Kopf, viele Male hatte er das Bild bereits bemüht. Es würde - er war überzeugt - eine gute Ansprache werden.
Das Zurückzahlen der zu unrecht bezahlten Geldes war nur ein Schritt von vielen. Phux griff ebenfalls dem alten Traviageweihten unter die Arme, besser gesagt erinnerte er ihn auf dezente Art an seine Pflichten und zog ihn aus seiner Lethargie heraus. Er wusste vom Baron, dass dieser Geweihte bald abgelöst werden würde. Aber Bald war frühestens nach dem Winter und gerade jetzt war der alte Greis sein einziger Verbündeter, auf den er ganz und gar zählen konnte. Und so wurden alsbald auch wieder der Traviabund vor einem etwas verwirrten Traviageweihten begangen.
Phux hatte das Gefühl, dass viele der Menschen auf diese Befreiiung gewartet hatten. Doch da waren auch andere. Deren Blicke auf der Straße ließen Phux kalte Schauer über den Rücken hinablaufen. Aber er war nicht in der Lage, diese anzuzeigen. In diesen Tagen war selbst Wolfsstein unendlich weit entfernt. Außerdem handelte es sich um zwei geachtete Mitbürger in der Dorfgemeinschaft, die nicht zu unterschätzende Macht hatten. Phux ahnte, dass einer von denen der neue Marwan werden würde. Und er bereitete sich auf den Moment vor, auf dem ihm jemand entgegentreten würde. Dann würde Blut fließen im Dorf, aber noch war es nicht soweit.
Der Feind war schwach und die schärfste Waffe der Göttertreuen war das Wort. Denn das Wort des Feindes ward nicht mehr offen gehört, nachdem Marwans Zunge verstummt war und der verborgene Gebetsraum vernichtet worden war. Und so war die Stimme des engagierten, wortgewandten Phexensdieners und die einschläfernde aber ruhige des Travianis die, die in theologischen Fragen als einzige offen vernommen wurden. Auf lange Zeit würde das den Einfluss des Feindes schmälern... und dann?
Dann müsste er versuchen, die Stimmen der Götter zum Schweigen zu bringen. Mord. Dam galt es zu entgegnen und Phux überlegte immer wieder in den Wintermonden, wie er sich der beiden Gegner entledigen könnte. Aber ihm wollte keine Methode einfallen, die nicht ebenfalls den Göttern ungefällig wäre. Und von all dem nahm er größten Abstand. Also ließ er sie gewähren in ihren Versuchen, die er nur erahnen konnte. Sie waren ihm ein Dorn im Auge und wenn er ihnen auf der Straße begegnete, dann wechselte er oder auch sie die Straßenseite. Mehr als einmal überlegte sich Phux, ob er seinem almadanischen Temperament nachgeben sollte und sie einfach fordern und erschlagen sollte. Aber eine Wunde konnte hier den Tod bedeuten. Und sein Tod oder auch nur schwere Verwundung würden den Feind stärken... nein. Es war das kleinere Übel, sie gewähren zu lassen, ihre Kreise zu beobachten, zu verhindern, dass sie einen Fuß auf den Boden bekämen.
Phux machte denen, die nicht zu ihm kamen, das Leben so schwer es nur ging. Er bestärkte die, die Glaubten mit Worten und auch mit Taten. Glück zu wünschen, Freude zu schenken und die Menschen in ihrem täglichen Kampf gegen die firunische Kälte zu begleiten empfand er als höchste Genugtuung. Und er demonstrierte freigiebiger als er es je vorher getan hatte und jemals wieder tun würde, die Macht, die die Götter ihm gegeben hatten. Viele der normalen Dörfler waren ihm bald dankbar für irgendetwas, schuldeten ihm oder Phex hier und da einen Gefallen, den Phux hin und wieder gut brauchen konnte. Er heilte den offenen Bruch des Schankburschen, der wohl den Winter nicht überstanden hätte mit dieser Verletzung. Und er war es, der selbst Hand anlegte, um die alte Ribacherin selbst im Winter begraben zu können - alle hatten gesagt, dass das nicht ginge und dass man das nicht machen würde. Phux hatte gesagt, dass es ginge... sich einige Helfer geholt und die alte Frau beerdigt. Es waren viele kleine Dinge wie diese, mit denen sich der Phexgeweihte seinen Status in der kleinen Gemeinde erarbeitete. Zahllose Besuche bei Menschen, die er vorher nicht kannte, die einmal schon Sensen und Dreschflegel gegen ihn erhoben hatten, zahllose Gespräche und Gebete mit diesen machten aus den ehemaligen Feinden Gläubige, aus manchen Verbündete, aus einigen wenigen Freunde.
Langsam erfuhr der Theoretiker, was es bedeutete, für das Seelenheil eines ganzen Dorfes verantwortlich zu sein. Wenn die Krankheit der zotteligen Kuh ein Problem war, das ihm angetragen wurde und wenn das Eis zu dick war, um den Brunnen nutzen zu können... wenn ein Dach unter der Last des Schnees einzubrechen drohte, dann war das auch sein Problem. Und wie es sich gehörte, beteiligte er sich an dessen Lösung, indem er mit einer Schaufel auf dem Dach stand und den Schnee herunterschippte. Auch wenn ihm diese Arbeiten den Rotz einhandelten, bereuhte er sie nicht. Das Vertrauen und die Herzen der einfachen Menschen konnte man nur durch einfache Taten erlangen. Das war fast jedes Opfer wert.
Eines Abends, als er erkältet, hustend und fiebrig im Bett lag und die Wirtsfrau ihm eine Suppe brachte und ihm Genesungswünsche überbrachte, da ahnte er, was es wirklich bedeutete, eine wahrlich wichtige Aufgabe zu haben. Vieles mochten Lippenbekenntnisse gewesen sein. Aber Krankenbesuche waren es normalerweise nicht. Es dauerte gut zwei Wochen bis er wieder gesundet war, aber diese Zeit, in der er viel hatte denken können und in der er Wärme und Freundschaft gespürt hatte, brachten ihn dazu, die Menschen hier noch einmal in einem anderen Licht zu sehen. Sie waren nicht Objekte einer göttlichen Mission. Sie waren Menschen, die jede Anstrengung lohnten, weil sie sich für diese revanchierten... weil sie sich freuten und weil sie machten, dass er sich freute.
Vielleicht war es ein Wink des Listenreichen, eine Abrechung Firuns oder eines der Dörfler. Aber der Mann, den Phux für den wahrscheinlichen Nachfolger von Marwan hielt, verschwand. Seine Leiche wurde erst nach einigen Wochen in einem kleinen Bachlauf gefunden. Er musste in diesen gefallen und erfroren sein. Phux verzichtete auf eine genaue Untersuchung, die er eh nicht durchführen könnte. Offensichtliche Zeichen eines Mordes gab es nicht. Und so fand auch die sterbliche Hülle eines Menschen, den Phux eigentlich beim Namenlosen wähnte, ein boron-gefälliges Begräbnis in der gefrorenen Erde.
Er hatte das Gefühl, dass mit dem letzten Spatenstich, der gefrorene Erde auf den nun braunen Fleck Erde beförderte, auch ein Teil der Last abgefallen war, die er seitdem getragen hatte. Er verspürte keinen Triumph am Grab des Feindes. Er verspürte kurz ein Bedauern, nicht mehr für diesen Menschen getan zu haben, aber er wusste auch, dass er nur die retten könnte, die es wollten.
Gestärkt ging er wieder ans Werk. Es war noch lange bis ins Frühjahr. Zu lange, um die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten alleine zu lassen. Zu wertvoll waren sie ihm, zu sehr an sein Herz gewachsen. Jeden abend sprach er vor seiner Gemeinde abwechselnd im Traviaschrein oder in der Taverne das Morgen oder Abendgebet und zweimal pro Woche erzählte er den Kindern des Dorfes die Geschichten von großen Göttertaten, Heiligen und all den Dingen, die junge Menschen davon überzeugten, dass es nur 12 Herrscher gab. Sein Ziel war festgeschrieben: in der nächsten Generation sollte niemand mehr fragen, wer Aves war. Jeder sollte die Taten der Götter und ihrer Heiligen kennen. Und so verpackte er große Weisheiten in kleine Happen, die er Bauern und Kindern, einfachen Handwerkern und Dörflern dann verkaufte. Es war ein langer Weg, die theoretischen Thesen herunterzubrechen auf den Intellekt dieser Menschen. Aber der Blick in verständnislose Gesichter und das Tuscheln von überforderten Menschen hatten ihn schnell gelehrt, was volksnähe heißen musste.
Und so tat er - Viento Maquedar Vascagani, Mondschatten aus dem fernen Punin - Tag für Tag seinen Dienst in dieser kleinen Gemeinde namens Königsberg... irgendwo im bornischen Winter, meist abgeschnitten von sämtlichen anderen Dörfern. Weitab von der Geliebten und der Heimat. In Königsberg, wo selbst ein einfacher Geweihter des Phex und sein oftmals belanglos erscheinendes Wirken einen großen Unterschied bedeutete.