Schwieriges Thema.
Ich werde trotzdem versuchen ein paar Gedanken zu sammeln.
Zunächst zu der Frage, was meiner Meinung nach ein gutes Larp ausmacht. Diese Frage möchte ich übrigens strikt davon trennen, wie gut mir der Con persönlich gefallen hat.
Als sehr wichtig betrachte ich eine
glaubwürdige Darstellung Aventuriens und speziell
der bespielten Region. Schließlich will man den Beteiligten nicht vermitteln, sie seien "irgendwo in Aventurien", sondern an einem bestimmten Ort. Zum Begriff "glaubwürdig" gehört meiner Meinung nach essentiell, dass Eigenheiten der Region zum Ausdruck kommen, was auch bedeutet, dass Klischees in der Regel zu erfüllen sind.
Für entscheidend halte ich auch, wie gut sich die Charaktere mit den Problemen der Region identifizieren können bzw. inwieweit sie dazu überhaupt bereit sind. Vor allem bei Helden, die von sonstwo kommen (bei Lieblingschars oft der Fall), mangelt es oft an Motivation überhaupt aktiv zu werden. Die Folge ist, dass es oft - auch in entscheidenden Szenen - mehr Zuschauer als Handelnde gibt. Hier ist nicht nur der Spieler gefragt seinen Charakter passend zu wählen, sondern auch die Orga, die einer unpassenden Zusammensetzung der Heldengruppe(n) schon im Vorfeld entgegenwirken muss.
Zu einem guten Con gehört natürlich ein
Plot mit Regionalbezug. Wobei ich weniger wichtig finde, dass der Plot bis ins letzte durchgestylt ist. Für mich sind glaubwürdige Motivationen der Beteiligten (bei SCs wie NSCs) entscheidend. Oft genug ist es leider so, dass ein Plot eher von Szene zu Szene im Eisenbahn-Stil geplant ist. Dabei fallen die Beweggründe von NSCs oft unter den Tisch oder müssen hinter dem Szenenplan zurückstehen, was in unlogischen Szenen und Abläufen endet.
Zu einem guten Plot gehört ein Aufbau mit Einleitung, Spannungsbogen, Höhepunkt(en), retardierenden Momenten, Katastrophen etc.. Drama rulez, und dazu gehören auch Emotionen.
Dass ein solcher Aufbau sich schwerlich innerhalb weniger IT-Stunden realisieren lässt, ist ein bekanntes Problem von Wochenend-Cons, auf das ich vermutlich nicht näher eingehen muss.
Ziel des Larps
Gemeinsames und sicher vorrangiges Ziel aller Beteiligten ist
Spaß zu haben. Eigenlich eine triviale Aussage und sehr allgemein gehalten, aber eine Konsequenz ergibt sich daraus unmittelba:
Aktionen, die absehbar den Spielspaß der Mitspieler mindern oder beeinträchtigen, sind unerwünscht. Ganz einfach einzuhalten ist das natürlich nicht, da sich unterschiedliche Teilnehmer an den unterschiedlichsten Dingen stören. Voraussetzung ist außerdem, dass man kundtut, wodurch man sich gestört fühlt.
Eine umfangreiche Sammlung von Dingen, die einen beim Larpen nerven, wurde vor einiger Zeit im Aventurien-Larp-Forum zusammengetragen. Diesen Thread kann ich an dieser Stelle nur empfehlen.
http://aventurien-larp.de/forum/topic.asp?TOPIC_ID=1110Ein paar Beispiele, an denen sich viele Larper stören, und zu denen es eigentlich sehr einfache Lösungen gibt, möchte ich herausgreifen.
1.) störende OT-Dinge. Das beginnt bei PET-Flaschen, geht über Biertische bis hin zum weitverbreiteten Kommentieren von Flugzeugen ("da, ein Drache!") und Sanitäranlagen. Ich denke ein wenig Ambiente-Disziplin sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Das gilt nicht nur für Spieler, die z.B. Schlafsäcke mit Decken und Fellen abtarnen oder Plastikverpackungen von Lebensmitteln außerhalb des Blickfelds anderer öffnen sollen.
Ein Beispiel für Orgas sind die allgegenwärtigen Biertischgarnituren. Konkurrenzlos praktisch, überall verfügbar, hässlich. Aber ein paar Sets Hussen schaffen Abhilfe und kosten nicht die Welt.
Häufig diskutiert: IT auf dem Porzellan-Klo. Meiner Meinung nach gehören ordentliche Sanitäranlagen dazu (auch wenn ich sicher kein Hygiene-Freak bin und auch mal 3 Tage ohne auskomme) und ein moderner Waschraum ist für mich ein klarer OT-Ort. Von mir kann niemand erwarten, dass ich mich beim Duschen oder Rasieren IT verhalte.
Andererseits mache ich auch niemandem einen Vorwurf, der bei einem dringenden Bedürfnis eben nicht zum Waschhaus geht, sondern konsequent IT mit dem Spaten in den Wald.
Das "Drachen"-Flugzeug am Himmel gehört auch in diese Ketagorie. Hier kommt von einigen das Argument: "Wieso, ist doch ein schöner Spielanreiz, und in Aventurien gibt es Drachen!" Nicht wenigen geht es auf die Nerven auf eine OT-Sache, die ein Flugzeug zweifelsfrei darstellt, auch noch mit der Nase draufgestoßen zu werden. Wobei eine Lösung doch super einfach ist. Flugzeuge sind ot und nicht zu kommentieren. Wer aber unbedingt einen Drachen am Himmel sehen will, braucht dazu gar kein Flugzeug. Wer die Phantasie hat, aus einem Airbus A320 einen Westwinddrachen zu machen, kann sich den Drachen auch ohne Flugzeug vorstellen. Und der, den Flugzeuge stören, kann trotzdem hoch schauen und sieht... nichts, vor allem aber kein Flugzeug. Na dann ist der Drache eben schon weg oder hinter einer Wolke.
2.) Plot-Bunkerei und Geheimhaltung
Wird meistens mit IT-Logik zu rechtfertigen versucht. Geheimhaltung von gefährlichen Dingen und so weiter. Nur: Geheimhaltung vor wem? Vor den bösen NSCs, die eh alles wissen, eben weil sie gebrieft sind? Was passiert denn, wenn es einem NSC gelingt, den Zirkel der Wissenden zu unterwandern? Ein Plot kippt dadurch nur, wenn die SL unfähig ist (und wer der SL nicht soweit vertraut, kann mMn gleich zuhause bleiben). Oder, dass jemand am Ende sagen kann: "Haha, die Spieler waren sooo doof"? Als ob das nicht sowieso immer möglich wäre.
Meiner Meinung nach hat IT-Logik IMMER hinter dem Zustandekommen von schönem Spiel zurückzustehen. Es heißt LiverollenSPIEL und nicht Liverolleneffizientdenplotlösen. Klingt hart, ist es aber nur, wenn man zu faul ist, sich mehr als eine it-logische Handlung für die gegebene Situation auszudenken und eine spieldienliche davon auszuwählen. Kein Mensch kann mir glaubhaft machen, dass es zu irgendeiner Situation nur eine einzige Lösung gibt.
3.) Regeln, auch oft Stein des Anstoßes
Regelfreies Larp im Sinne von DKWDK oder DKWDDK ist für viele die Idealform des Larps. Unter einer Bedingung stimme ich dem zu, nämlich der, dass meine Mitspieler erfahrene Leute sind, die ich kenne, und die eine ähnliche Einstellung zu Larp haben wie ich. Für jeden anderen Fall betrachte ich Regeln als unumgänglich.
Allerdings haben Regeln im Spielverlauf nichts zu suchen, denn die wichtigste Funktion jedes Regelwerks ist meiner Meinung nach die, den Spieler bei der Erschaffung seines Chars dazu zu zwingen, sich ernsthaft Gedanken zu machen, was er mit dem Char vorhat, was der können soll, welche Macken er hat etc.
Im Spiel nach einem Schlag von einem Oger nach dem KK-Wert zu fragen oder Kampfatmosphäre durch nervige Ansagen zu ruinieren, kann niemals der Sinn eines Regelwerks sein.
4.) Meta-Gaming
Sogenanntes Meta-Gaming wird von vielen pauschal abgelehnt. Klar, die typischen Metagaming-Beispiele sind zurecht verpönt, weil sie benutzt werden, um sich einen Vorteil zu verschaffen ("die NSCs gehen geschlossen auf Patrouille, ich hol schon mal meinen Schild", "Samstag früher Nachmittag: Zeit sich - völlig grundlos - für die Endschlacht zu rüsten" oder "natürlich gewinnen wir die Endschlacht, schließlich sind wir die SCs").
Dabei ist Metagaming viel mehr und der eigentliche Schlüssel zu gelungenem Spiel. Gerade Spieler von Charakteren in hervorgehobenen Positionen, auf die sich natürlicherweise vieles konzentriert, stehen besonders in der Verantwortung über ihren eigenen Tellerrand hinaus zu schauen und zu versuchen andere - nicht nur die besten Kumpel - einzubinden.
Auch die Überlegung, wie man eine größere Szene gestaltet, damit auch die 80% Zuschauer was davon haben, ist Metagaming, und meines Erachtens zwingend erforderlich.
Beispiele für positives Metagaming gäge es tausende, z.B. eine Colaflasche unter dem Tresen in einen Krug umzufüllen, wäre ein solches. Deshalb möchte ich hier eine dicke Lanze für Metagaming brechen.
Mein persönliches Ziel
Ich gehöre nicht zu denen, die vollständig in die Spielwelt eintauchen müssen. Das ist auch gar nicht mein Ziel, obwohl es manchmal für kurze Zeit trotzdem passiert. Für mich ist ein Liverollenspiel immer noch ein Spiel, egal wie intensiv man es betreibt.
Mein vorrangiges Ziel ist es im Larp, eine in sich konsistente Geschichte vor möglichst glaubwürdigem Hintergrund zu erleben und diese selbst mit zu entwickeln. Dabei ist der Ausgang nicht so entscheidend, das Spiel ist das Ziel. Wenn es sich sinnvoll so ergibt, dass der Plot nicht vollständig gelöst wird oder die Spieler eine Niederlage kassieren, dann ist das besser als einen Sieg herbei zu künsteln.
Körperliche Belastung ist kein Muss, aber ok, solange die Story dazu stimmt. Ich wandere auch gern 30 km am Tag, aber nicht um der Strecke willen, und auch nur auf (überwiegend) schönen Wegen, problemlos auch querfeldein. Ich hasse Schotterwege.
Wie man sieht, unterscheiden sich die Ziele enorm. Ich sehe aber keinen Grund, warum unterschiedliche Spieleinstellungen einem gelungenen Zusammenspiel im Weg stehen würden.
Weder werde ich jemanden hindern so tief ins Geschehen einzutauchen wie er möchte, noch kann mir jemand Metagaming verbieten, zumal dem Gegenüber weder das eine, noch das andere auffallen wird. Hauptsache am Ende kommt was Vernünftiges raus.
Alles was es dazu braucht ist ein bisschen Disziplin und die Bereitschaft anzuerkennen, dass man nicht alleine auf der Welt ist, dass es immer jemanden mit höherem Anspruch gibt.
Zu guter Letzt denke ich, dass es nichts bringt, sich über unvermeidliche Dinge aufzuregen. In Deutschland ist es nunmal so gut wie unmöglich, Spielgebiete und Wanderwege zu finden, bei denen nicht Straßen überquert werden müssen, keine Stromleitungen oder Häuser zu sehen sind und man keinen Spaziergängern/Touristen begegnet. Gerade beim Umgang mit letzteren sollte man sich bewusst sein, dass man Aventurien spielt, aber in der realen Welt, und dass man mit "Zivilisten" mit einer dem 21. Jahrhundert angemessenen Art und Höflichkeit entgegenzutreten hat. Es kann nicht sein, dass Wanderer mit Larp-Waffen geschlagen werden oder angepflaumt werden, dass sie sich verpissen sollen (alles schon vorgekommen), weil man sich gestört fühlt.
Wer Makel sucht, sieht am Ende nichts anderes mehr und verliert den Blick für das Wesentliche.